Der See und der Fluss – Eine Geschichte über das Geheimnis des ewigen Lebens

10.09.2014


Der See und der Fluss – Eine Geschichte über das Geheimnis des ewigen Lebens


Vor langer, langer Zeit wandte sich einmal ein See an einen Fluss und sprach:

„Warum gibst du all dein Wasser an den Ozean? Dem ist es nämlich vollkommen egal, was du da tust? Du vergeudest deinen Reichtum nur. Du vergibst dich.“

Still und ohne etwas zu sagen zog der Fluss weiter. Aber der See konnte das Verhalten des Flusses  einfach nicht begreifen und so fragte er wieder:

„Schau mal, selbst wenn du dem Ozean all dein Wasser geben würdest, wäre der Ozean um keine Prise weniger salzig als zuvor. Und auch sonst würde sich überhaupt nichts ändern. Welchen Sinn also hat dein Tun. Du solltest deinen Reichtum ganz für dich behalten.“

Nun musste der Fluss doch etwas sagen:

„Mein Freund, das ist nun mal so. Es drängt mich aus meinem Inneren heraus, so zu handeln. Es ist einfach meine Natur zu fließen und zu geben.“

Und also ging es weiter, wie bisher. Der Fluss ergoss sich Tag um Tag erneut mit allem, was er hatte und war, in den Ozean. Der See hingegen hielt all sein Wasser zurück und blieb ganz für sich.

Mit der Zeit jedoch – der See bemerkte es anfänglich gar nicht – wurde das Wasser immer weniger. Alles Leben im See ging zurück, verschwand vollständig, und der See trocknete irgendwann ganz und gar aus.
Der Fluss hingegen floss weiter in den Ozean. Doch unsichtbar für den Betrachter verdunstete das Wasser auf seiner Oberfläche und um ihn herum in den Feldern und Wäldern, stieg nach oben und sammelte sich als Wolken über dem Fluss. Der Wind nahm die feuchten Wolken auf und trug sie zurück zu den Bergen. Hier fiel es wieder herab als Regen und nährte so den Fluss immerfort mit frischem und klarem Wasser ...