OM NAMAH SHIVAYA – König der Mantras

07.02.2015

 

OM NAMAH SHIVAYA – König der Mantras

Anlässlich des nahenden SHIVARATRI-Festes möchte ich mich einem Thema widmen, um das man nicht herum kommt, wenn man Yoga praktiziert. Es handelt sich um etwas, das sowohl in Indien als auch bei uns im Yoga von großer Popularität und Bedeutung ist. Ich spreche vom Mantra – von DEM Mantra – vom Mantra OM NAMAH SHIVAYA. Sicherlich – es gibt auch noch andere große Mantras. Doch OM NAMAH SHIVAYA ist schon ein ganz außergewöhnliches Mantra.

Obwohl es viele Mantras gibt, heißt es in den Puranas, den alten religiös-spirituellen Erzählungen Indiens, dass es kein Mantra gibt, das dem Om Namah Shivaya gleich käme. Denn Om Namah Shivaya sei Shiva selbst, sei eine vollkommene Offenbarung des vollkommenen Bewusstseins – in Form von Klang. Die Puranas erklären, dass wenn Shiva das Universum am Ende eines Schöpfungszyklus' das Universum wieder auflöst, er allem seinen angemessenen Platz in diesem einen Mantra gibt. Alles was dieser Welt zur Grundlage dient – alle Elemente und Kräfte – sind dann in subtiler Form in den Klängen, Schwingungen und Silben dieses Mantras geborgen.

Zu Beginn des neuen Schöpfungszyklus, wenn das schöpferische Bewusstsein – Shiva – ein neues Universum hervorzubringen wünscht, beauftragt er die Schöpfergottheit Brahma die drei Welten entstehen zu lassen. Und zwar indem er Brahma das fünfsilbige Mantra – das Panchakshara – übergibt. Es ist letztendlich, so die Puranas, also dieses Mantra, das die Welt wieder entstehen lässt. Darüber hinaus wird es der Welt – genauer gesagt „uns“ – übergeben, damit wir uns als Shiva wieder erkennen können, wenn sich die Bedeutung des Mantras im Verlauf unserer Entwicklung in uns und als uns entfaltet.

Die Bedeutung von Namah ist „Verehrung, ich verneige mich“. Shiva bedeutet wörtlich „der Gütige, Gnädige“ - der Herr (noch genauer: das göttliche Bewusstsein), der/das zu allem geworden ist“. Wer also das Mantra (Om) Namah Shivaya wiederholt, sagt im Inneren „Ich verneige mich vor Shiva“ und meint damit „Ich verehre Shiva, das höchste Bewusstsein, das in mir und in jedem Teil der Schöpfung wohnt.“ Die fünf Silben Na-Mah-Shi-Va-Ya werden dabei – wie viele Mantras – verstärkt durch die Ur-Keimsilbe OM, aus der alle Klänge und damit das gesamte Universum, zu Beginn der Schöpfung, hervorgegangen sind. In den Puranas heißt es hierzu, dass dem bereits Vollkommenen etwas Vollkommenes hinzugefügt wird.

Wie ich bereits darauf hingewiesen habe, lehren die Puranas, dass Om Namah Shivaya alle Elemente in sich vereinigt. Dabei steht jede Silbe für eines der fünf Element, aus denen unser grobstofflicher Kosmos besteht. Na steht für die Erde, Ma für das Wasser, Shi für das Feuer, Va für die Luft und Ya für den Äther. Durch das Wiederholen des Mantras reinigt der Yogi also sukzessive jedes dieser fünf Elemente in seinem Körper sowie auch außerhalb davon. Doch das ist noch nicht alles. Denn zusätzlich repräsentieren die fünf Silben auch noch die fünf Pranas (feinstoffliche Lebensenergien) wie auch die fünf Kräfte der Sinne, die ersten fünf Silben der reinen Schöpfung (Shuddha-Tattva) und die fünf kosmischen Handlungen Shivas – Erschaffung, Erhaltung, Auflösung, Verschleierung, Gnade (alle fünf kommen ikonographisch in der Shiva-Nataraj-Gestalt zum Ausdruck).

Im Shiva Purana heißt es, dass jeder Mensch durch das regelmäßige Wiederholen der heiligen Silben des Om Namah Shivaya alles gesehen, alles gehört und alles getan hat:

„Für einen solchen Menschen wird das Leben gute Früchte tragen. Ob er von niederer Herkunft, ein Narr oder eine gelehrte Person ist – er wird aus dem Käfig des Gefangenseins befreit.“

 

Die nachfolgenden Gedichte sind von Lalleshwari oder Lalla Ded (1320-1392), der wohl berühmtesten tantrischen Mystikerin und Shiva-Yogini Kashmirs --

 

Oh Lalli -

mit dem wahren Verständnis

öffne deine Ohren und höre,

wie die Bäume sich wiegen zu Om Namah Shivaya,

wie der Wind selbst Om Namah Shivaya singt, wenn er weht,

wie das Wasser mit dem Klang von Om Namah Shivaya fließt.

Das gesamte Universum

singt den Namen Shivas.

Oh Lalli!

Schenke dem ein wenig Beachtung.

 

Oh du, mein unsteter Geist, hab keine Angst.

ER, der ohne Anfang und ewig ist

wacht über dich.

ER ist bei dir, immer.

ER wird dich hinüber geleiten,

jenseits des Ozeans des weltlichen Lebens.

Oh Lalli! Rufe seinen Namen.

Rufe Om Namah Shivaya

mit Liebe und Hingabe.

ER wird dir sogleich antworten.

 

Versenke deinen Geist vollständig

in Om Namah Shivaya

und kein Unterschied wird bleiben

zwischen dir und Shiva.

Dein Geist wird berauscht sein

von der Glückseligkeit Shivas,

und dein Hals wird sich zuschnüren vor Liebe.

Dann wird sich die individuelle Seele als Shiva offenbaren.

 

Siehe auch:

SHIVA-LINGAM – Die geheimnisvolle Form des formlosen Unendlichen

Shivaratri: Die Nacht Shivas – die Nacht, die seit Urzeiten unserem höchsten und wahren Selbst gewidmet ist