SHAKTIPAT - Das Geheimnis der vollkommenen Kundalini-Erweckung 3 (4)

04.09.2015

 


SHAKTIPAT - Das Geheimnis der vollkommenen Kundalini-Erweckung 3 (4)

Der Begriff "Kundalini-Erweckung" ist in einschlägigen Yoga-Kreisen in aller Munde. Aber wie fand dieses Ereignis zu früheren Zeiten statt? Wie erlangten die Yogis diesen über alles ersehnten Moment – die Eintrittskarte zur absoluten Freiheit? Klassischerweise geschah dies eben nicht so sehr, wenn überhaupt, durch eigenwilliges Bemühen. Weil das nach Auffassung und Aussage der Tantras gar nicht möglich ist, da man sich nun mal nicht – das ist nicht nur eine uralte yogisch-tantrische Binsenweisheit – am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann. Es ist ein unter Umständen folgenschweres Missverständnis zu glauben, dass man die Kundalini beherrschen könnte. Und, machen wie uns nichts vor, eine Erweckung aus eigenem Bemühen (z.B. durch Hatha-Yoga-Praktiken) impliziert GENAU DAS. Wir hier im Westen sind es gewohnt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Aber diese „Heimwerker-Mentalität“ hat im traditionellen Yoga nichts zu suchen. Auch wenn uns das nicht gefallen mag.

Es ist eben nicht so, dass der Yogi die Kundalini antreiben könnte. Kundalini ist die höchste göttliche Kraft, die Mutter des Universums, kein Ding, kein Objekt, das man herumschieben könnte. Kundalini ist kein Mechanismus, dem man befehligen, den man für sich arbeiten lassen könnte. Es ist vielmehr so, dass Kundalini ihrem eigenen göttlichen Willen folgend und nach Maßgabe der jeweiligen Erfordernisse und Bedürfnisse des Yogis den Verlauf ihres Erwachens und ihrer weiteren Entfaltung bestimmt. Gemäß den Lehren der alten und traditionellen Kundalini-Meister ist sie im höchsten Maße intelligent, frei und wohltätig – aber gleichzeitig auch wild und unbändig.

Ein wahrer Kundalini-Yogi „meistert“ sie also zunächst nicht, sondern ist eher ihr folgsamer Schüler. Als solcher versucht er sich vollständig auf sie und ihre Führung auszurichten und in Einklang mit ihr zu handeln und zu leben. Grundlage seiner Beziehung zu ihr ist seine auf sie gerichtete Liebe und Hingabe, sowie seine Sehnsucht mit ihr eins zu werden. Woraus jedoch nicht folgt, dass man nicht praktizieren müsste. Doch muss die Praxis mit ganzem Herzen ihr zugewandt sein. Der wahre Schüler folgt Meisterin Kundalini, ihren inneren Anweisungen und Impulsen folgend, achtsam und gefühlvoll auf dem Pfad, auf dem sie - immer vorangehend - ihn liebevoll, lockend aber auch fordernd führt. Die göttliche Meisterin führt - der Schüler/die Schülerin folgt. Kundalini-Yoga ist die hohe Kunst der Demut.

Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus meinem "Großen Kundalini-Buch".

Kommen wir nun zur Śaktipāt-Einweihung, die durch das „Wort des Gurus“ erfolgt. Wie die „Berührung durch den Guru“, so kann auch das „Wort des Guru“ Verschiedenes bedeuten. Zunächst einmal bezieht sich „Wort“ auf das vom Guru erhaltenen Mantra, weshalb diese Art der Śaktipāt-Einweihung auch als Mantra-Dīkshṣā bezeichnet wird. Das Mantra des Guru, häufig auch als Klang des Guru (Guru-Śabda) – wie wir es u.a. bei dem Dichter-Heiligen Kabir bezeichnet finden – oder als Rede des Guru (Guru-Vāc) – wie es z.B. die kaschmirische Mystikerin Lalla-Ded nannte: gwaran vonanam kunuy vacun, „Der Guru gab mir nur ein Wort“1 – ist nach Auffassung vieler tantrisch-yogischer Traditionen der Schlüssel zur Befreiung:

Kulārṇava Tantra 1. 107a –

muktidā guruvāg eka vidyāḥ sarvā viḍambakāḥ /

“Die Rede/das Wort des Gurus allein schenkt Befreiung. Alle Wissenschaften sind Imitationen.“

Śiva Saṃhitā 3. 11

bhavedvīryavatī vidyā guruvaktra samudbhavā / ānyathā phalahīnā syānnirvīryāpyatiduḥkhadā //

Nur das Wissen, das vom Guru, dass von den Lippen des Gurus kommt, besitzt Energie/Kraft. Anderes [Wissen] ist fruchtlos, energielos und verursacht Leid.

 

Über die besondere Wirkung des während der Initiation (Dīkṣā) vom Guru erhalten Mantras schreibt R.M. Steinmann:

"Hauptübertragungsmittel stellt dabei das persönliche oder Iṣṭa-Mantra dar, welches als eigentlicher Kraftträger mit der Potenz des Gurus identisch ist. Im Guru-Mantra des Mantra-Rāja ('Mantra-König') genannt Sadguru, durch die selbst passive höchste Gottheit in Form ihrer Jñāna-Śakti (Kraft/Macht d. Wissens)2 die Erlösung erwirkt, ist deren schöpferisch-kosmische Energie in reiner, geballter Form enthalten."3

Nur ein solches, vom Guru erhaltenes Mantra wird nach yogischem Verständnis seinem Namen gerecht. Für eine derartige Auffassung gibt es gute Gründe. Denn sehr streng unterscheiden die tantrischen Yogis zwischen zwei Klassen von Mantras. Es gibt die Klasse derjenigen Mantras, die man irgendwelchen Werken entnehmen kann oder von irgendeiner Person gesagt bekommt. Solche Mantras werden als Jaḍa-Mantras, leblose Mantras, klassifiziert. Dem gegenüber gibt es die sogenannten Caitanya-Mantras, Mantras, die lebendig sind, lebendige Manifestationen des höchsten Bewusstseins. Ein solches Mantra erhält man ausschließlich von einem Sadguru. Die einem Caitanya-Mantra innewohnende Kraft enthält die Kraft der gesamten Tradition bzw. Linie des jeweiligen Gurus. Jeder Guru dieser Tradition, die möglicherweise weit in die Vergangenheit zurück reicht, hat dieses Mantra, als er selbst noch Schüler war, von seinem Guru erhalten. Durch seine Hingabe an das Mantra und die intensiven Übungen damit, offenbarte ihm das Mantra im Laufe der Zeit das gesamte inhärente Kraftpotential. Die Erschließung bzw. Entfaltung der dem Mantra innewohnende Kraft ist immer Aufgabe des Schülers / der Schülerin. Dies waren auch die Lehren der Heiligen und Mystikerin Ānandamāyī Mā:

„Das Mantra, das dem Shishya (Schüler) während Dīkshā gegeben wird, darf kein totes Wort sein wie in gewöhnlichem Sprachgebrauch, sondern muss eine Silbe oder Silbenreihe sein, die mit Leben oder spiritueller Energie erfüllt und imstande ist, aktiv im psychophysischen Organismus des Shishya zu wirken. . . .Wenn ein gewöhnlicher Guru ein Mantra vergibt, findet keine Übertragung von Kraft statt. Doch sind uns die Mantren, die durch die Rishis – die Seher der Mantren – offenbart wurden, durch die Tradition der Meister überliefert worden, und daher enthalten sie Kraft. Somit ist das Mantra ein Träger von Kraft. Entsprechend der eigenen Veranlagung kann sich das offenbaren.“4

Durch seine Sādhanā mit dem Mantra und höchste Verwirklichung durch das Mantra hat jeder Guru (und Schüler) im Laufe der Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende, zur Ausweitung des Kraftpotentials des Mantras der jeweiligen Tradition, die von Guru zu Schüler weiter gegeben wurde, beigetragen. Ein Caitanya-Mantra beinhaltet somit die Kraft (Śakti) aller, die damit den Weg zu höchsten Vollkommenheit erlangt haben.

Persönlich habe ich die ungeheure Kraft eines Mantras, dass von einer alten Guru-Tradition stammt, zum ersten Mal 1978 erlebt, als ich an einem Meditations-Retreat teilnahm. Es handelt sich nicht um die Tradition, in die ich etwas später initiiert wurde, und der ich seitdem angehöre. Dennoch denke ich mit Achtung und Dankbarkeit an jene Einweihung und die Yoga-Tradition, die diese möglich machte, zurück. Wir, d.h. ungefähr 50 Frauen und Männer, saßen in einem großen, hellen Raum zusammen, um zum Abschluss unserer mehrmonatigen, intensiven Meditationspraxis – in deren Verlauf ich bereits außergewöhnliche Meditationserfahrungen machen durfte – ein, wie es hieß, ganz besonderes Mantra zu erhalten. An jenem Sonntagmorgen (aus irgendwelchen Gründen weiß ich noch, dass es ein Sonntag war) saß ich jedoch ziemlich unbedarft in der Runde der Teilnehmer, da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass es noch etwas geben könnte, was mich noch überraschen könnte. Ich wusste, dass der Meister dieser Tradition nicht persönlich anwesend sein würde, doch dass wir das Mantra per Videoaufnahme empfangen sollten, fand ich denn doch etwas absurd. Wie sollte denn das funktionieren? Ich saß also erwartungsvoll mit all den anderen auf den Matten, die den Boden des gesamten Raumes bedeckten. Die (inzwischen verstorbene, noch heute von mir geschätzte) Leiterin des Seminarhauses legte die Videokassette ein, und der besagte Meister der Yogatradition kam ohne Umschweife zur Verkündung des von uns so ersehnten, letzten Mantras. Was nun folgte kann man sich nach meinem Dafürhalten einfach nicht einbilden, noch kann man es bewusst herbeiführen oder manipulieren. Kaum waren die Worte dieses Meisters bei mir angekommen – ich hatte gar keine Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten, einzuordnen oder sonst wie bewusst darauf zu reagieren – ereignete sich eine Explosion in mir. Es war, wie wenn eine seit ewigen Zeiten in meinem inneren Wesen ruhende Kraftquelle das entscheidende Sesam-öffne-Dich-Zauberwort vernommen hätte, und nun mit rasender Geschwindigkeit zu neuem Leben erwacht wäre. Mein Herz begann plötzlich zu rasen und heftige Hyperventilation packte mich. Zum Glück saß ich auf dem Boden, denn gleichzeitig packte diese innere Kraft meinen Körper und schüttelte ihn hin und her, sodass ich mich auf einem Stuhl niemals hätte halten können. All dies beobachtete ich, gleichsam aus einer Position des unbeteiligten Zeugen. Zu Beginn dieses etwa eine Stunde anhaltenden Ereignisses kam Angst in mir hoch. Als ich jedoch bemerkte und fühlte, dass diese Energie nicht zerstörerisch war, sondern einen Heilungsprozess einleitete, fing ich an ihr mit großem Staunen bei der Arbeit zuzuschauen. Natürlich war hier niemand anders, als die große kosmische Kuṇḍalinī-Śakti am Werke, doch das wusste ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht.

Das Mantra ist also eins mit dieser höchsten Energie, wie auch mit dem Guru bzw. Guruprinzip. Die Meisterinnen und Meister des Yoga und Tantra wiederholen es unablässig – weil es so wichtig und für uns Schüler so schwer fassbar ist – „Guru und Mantra sind Eins – Indem der Sadguru dem Schüler sein ureigenes Mantra gibt, schenkt der Guru sich selbst“, oder mit den Worten Ānandamāyī Mā’s:

„Im Mantra, das durch den Guru gegeben wurde, ist der Guru selbst wahrlich gegenwärtig. Du magst seinen Körper sterben sehen, doch der Guru verlässt dich nie.“5

Doch bezieht sich die Terminus „Wort des Guru“ nicht nur auf das Mantra des Guru – sondern unter Umständen auf tatsächlich j e d e s Wort des Gurus. Seit der Zeit der Upanishaden ist in den esoterischen Werken Indiens von der Unterweisung durch den Guru (Skt. Upadeśa) die Rede. Diese Unterweisung, so heißt es, besteht oftmals aus nur wenigen Worten, die jedoch eine vollkommene Transformation des Schülers vom Begrenzten zum Unbegrenzten bewirken. Je nach dessen Reifegrad verläuft diese Transformation langsam oder schnell - oder ereignet sich gar in einem einzigen Augenblick, wie wir bei dem großen tantrischen Meister und Philosophen Abhinavagupta erfahren:

„Wenn der Meister [seine Unterweisungen] spricht, mit Worten vertieft in das Gedankenfreie, wird [der Schüler] hier und jetzt befreit, und alles was bleibt [von dessen vorherigem Zustand], ist die Maschine [des Körpers].“6

Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei diesen sogenannten Unterweisungen nicht der Informationsgehalt, sondern die Energie, die den Worten innewohnte, im Vordergrund steht – das heißt, dass es sich hier in Wirklichkeit um Einweihung, um höchste Energie-Übertragung, handelt. Dies gilt ganz allgemein für alle alten geistigen Traditionen – denken wir an all die Erzählungen, in denen die Worte des Meisters die anwesenden Zuhörer für immer veränderten oder in ihnen eine Sehnsucht nach Gott bewirkten – auch und insbesondere jedoch für die des Tantra. So finden wir beispielsweise folgende Aussage in Viveka Darpaṇa 17.3:

„Wahre Unterweisung ist die, welche sich in den wenigen Worten des Sadguru offenbart, wie die Wurzel der großen Heilpflanze Amṛt-Sañjīvanī, die einzige Heilpflanze, durch welche man befreit wird und Unsterblichkeit erlangt.“

Die „wenigen Worte“ des Sadguru werden hier mit der sagenumwobenen Heilpflanze Amṛt-Sañjīvanī (wörtlich „die unsterblich und ewig lebendig Machende“) verglichen und als so mächtig beschrieben, dass man durch sie sogar Unsterblichkeit erlangt. Es könnte sich dabei also um das Mantra des Guru handeln und auf Einweihung durch das Mantra (Mantra-Dīkṣā) beziehen. Möglich wäre jedoch auch etwas ganz anderes. Im Tantrismus gibt es die weit verbreitete Vorstellung, dass selbst das völlig beiläufig gesprochene Wort eines vollkommen verwirklichten Yogi oder Sadguru von dessen Kraft derartig erfüllt ist, dass es die Wirkung eines Mantras hat. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es sich bei den „wenigen Worte des Sadguru“ um ganz „normale, aber dennoch mit der Guru-Śakti geladene Worte handelt, mit welchen der Guru den Schüler auch ohne feierliche oder zumindest förmliche Dīkṣā initiiert. Diese Auffassung wird auch in Viveka Darpaṇa XIX. 3 zum Ausdruck gebracht, wo es über den erleuchteten Yogi heißt: tyaceṃ bolaṇeṃ vaidīku japū, „Sein [alltägliches] Reden ist vedische Rezitation.“

Als ich vor vielen Jahren mein Indologie-Studium an der Heidelberger Universität begann, erzählte mir mein damaliger, erster7 Sanskrit- und Philosophie-Dozent, dass er einige Monate zuvor in Kashmir Swami Muktananda Paramahamsa begegnet sei und mit ihm ein außergewöhnliches, faszinierendes Erlebnis gehabt hätte. Mein Dozent war für ein halbes Jahr in diesem hochgelegenen Teil Indiens gefahren um bei Lakshman Joo, dem berühmten, letzten Meister und Philosoph des Shivaismus von Kashmir die philosophischen Lehren ebendieser tantrischen Tradition zu studieren. Er erlebte eine aufregende und lehrreiche Zeit im erlesenen Kreise der Schüler von Lakshman Joo. Gegen Ende seines Aufenthaltes meldete sich ein seltener Gast bei Lakshman Joo an. Swami Muktananda, der den letzten großen Meister der kashmirischen Tradition hoch schätzte, besuchte diesen im Zuge einer weitreichenden Reise durch Kashmir. Die beiden Meister trafen sich, und wie dass so üblich ist, hatte jeder von beiden seine Schüler und Schülerinnen im Gefolge. Im Verlauf des Gespräches richtete Swami Muktananda nun das Wort an meinen Dozenten und fragte ihn, was er denn hier studiere. Woraufhin mein Dozent ihm mitteilte, dass er im Kreise der anderen Schüler mit Lakshman Joo längere Zeit einen Text studiert habe, in dem es insbesondere um die Erörterung des göttliche Bewusstsein gehe. In seiner verschmitzten, nonchalanten Art meinte Swami Muktananda daraufhin zu ihm: „Wozu du so viele Monate gebraucht hast, um es bloß theoretisch zu verstehen, kann ich dich in einem Augenblick unmittelbar erfahren lassen. . . .“8 …Und indem er es sagte, geschah es – einfach so. Mein Dozent erzählte mir, dass er plötzlich die Welt nicht mehr so sah, wie er es gewohnt war. Alles um ihn herum schien keine festen Konturen zu haben (erinnern wir uns an die Einweihungserlebnisse Swami Vivekanandas,siehe vorherigen Artikel zu diesem Thema), die Unterschiede zwischen den einzelnen Gegenständen, zwischen innen und außen, lösten sich auf. Alles war nur noch eine Masse aus pulsierendem, lebendigem Licht und der Energie des höchsten Bewusstseins.

Die Worte solcher Siddha-Meister, wie sie in Indien genannt werden, sind von schier unbegreiflicher Macht. Da sie eins sind mit der höchsten Realität, fließt die schöpferische Energie des Absoluten (Parā-Śakti) aus jedem Wort, das sie äußern, und macht es – egal wie profan oder zufällig gesprochen es sein mag – zu einem Mantra, dass die Natur des Höchsten offenbart. Deshalb heißt es in Śiva Sūtra 3.27, ähnlich wie in der oben zitierten Textstelle des Viveka Darpaṇa,: kathā japaḥ, „[Seine] gewöhnliche Rede ist die Wiederholung des Mantras.“ Weil gerade Swami Muktananda für diese spielerisch-beiläufige – bei weitem jedoch nicht zufällige – Art der „Initiation durch das Wort“ bekannt war, möchte ich abschließend noch einen weiteren beispielhaften Erlebnisbericht anfügen, den von Pratap Yande, der Swami Muktananda zum ersten Mal 1960 in dessen Ashram in Ganeshpuri (nordwestlich von Mumbai) traf:

„Mein Freund ging auf Baba zu, aber ich zog es vor Abstand zu wahren. Ich faltete meine Hände aus reiner Höflichkeit und setzte mich auf den Marmorboden. Baba hielt ein Schwätzchen mit einem älteren Ehepaar, die gerade zum ersten Mal in England gewesen waren, und befragte sie ausführlich über ihre Reise. Ich zollte ihnen wenig Aufmerksamkeit.

Als ich so auf dem Boden saß, begann ich mich wohler und wohler zu fühlen und entspannte mich. All mein Ärger und meine Anspannung verflogen [Yande war zuvor von Nityananda, Muktanandas Meister, in dessen ebenfalls in Ganeshpuri gelegenen Ashram von ihm gänzlich ignoriert worden – ein Angriff auf das Ego, dem sich Siddha-Gurus gerne bedienen...]. Binnen kurzem war ich völlig entspannt. Die Atmosphäre um mich herum war dicht und wohltuend. Plötzlich stieg ein Gefühl der Wonne aus meinem tiefen Inneren herauf. Dieser Zustand verstärkte sich mehr und mehr, bis ich schließlich das Gefühl hatte, als ob ich auf Wellen der Glücks schwimmen würde. Mir war Glück oder Freude zuvor schon widerfahren, aber nichts, was auch nur annähernd so war, wie das, was ich da gerade erlebte. Als ich wieder zu mir kam dachte ich: ‚Er muss ein Siddha sein. Lass mich wissen, dass Du dafür verantwortlich bist, was mir gerade widerfahren ist!’ Genau in diesem Moment schaute er mir geradewegs in die Augen. Er lachte laut auf, mit seiner vollen und warmen Stimme, und zeigte mit seinem Finger direkt auf mich.“9

 

1 B.N. Parimoo, The Ascent of the Self – A Reeinterpretation of the Mystical Poetry of Lalla-Ded. Delhi 1978, S. 59.

2 Anmerkung des Autors.

3 R.M. Steinmann, Guru-Śiṣya-Sambandha. Stuttgart 1986, S. 103 (hervorragende und empfehlenswerte Dissertation über das Meister-Schüler-Verhältnis).

4 Worte der glückseligen MutterĀnandamāyī Mā. Heiligkreuzsteinach 1980, S. 117 u. 124.

5 ibid., S. 120.

6 Aus der Ratnā-Mālā, zitiert von Maheshvarananda in der Mahārta-Mañjarī, S. 166; diese Angaben finden sich in Mark S.G. Dyyczkowski, The Doctrine of Vibration. Delhi 1989, S.178

7 „Erster“ ist hier nicht nur zeitlich, sondern auch im Sinne meiner persönlichen Achtung und Wertschätzung ihm gegenüber zu verstehen. Da ich hier ein sehr persönliches Erlebnis schildere, bitte ich um Verständnis, dass sein Name ungenannt bleibt.

8 Hiermit wollte er die Arbeit Lakshman Joos keineswegs geringschätzen, Lakshman Joo war selbst in der Lage Śaktipāt-Dīkṣā zu erteilen. Doch in diesem Moment war es vermutlich einfach der „göttliche Job“ von Swami Muktananda Paramahamsa meinem damaligen Dozenten Einweihung zu geben.

9 Interview mit Pratap Yande, 25. März 1989, in: Brooks, Durgananda, Muller-Ortega, Mahony, Rhodes Bailly, Sabharathnam, Meditation Revolution – A History and Theology of the Siddha Yoga Lineage. New York 1997, S. 413.

 

 

Der vierte und letzte Beitrag dieser Serie folgt in Kürze ...