VON WEGEN "HINDUISMUS"

30.11.2014


VON WEGEN "HINDUISMUS" ...


Gerade in unseren "Yoga-Kreisen" wird gerne vom HINDUISMUS gesprochen. Dieses Konzept des Hinduismus ist jedoch nicht indischen Ursprungs, sondern stammt aus dem Westen – die Inder haben es dann allerdings irgendwann selbst übernommen. Jenseits dieser unserer Vorstellung – also real – existiert jedoch keine solche Religion, kein solcher –ISMUS.

Wir picken uns häufig ganz bestimmte Teile der indischen Kultur/Religion heraus – zur Bestätigung des vorhandenen Konzepts – und sagen: Das ist Hinduismus, das ist Indien, das ist Yoga. Aber was wissen wir zum Beispiel über die weitreichende VOLKSRELIGION INDIENS? Das betrifft einen großen Teil der indigenen Bevölkerung. Der viel gerühmte VEDA hat weniger mit Yoga – all zumal der tantrische Hatha-Yoga – zu tun, als viele glauben. Und Hrishikesh oder Poona oder Auroville ist nicht Indien.

Es ließe sich gerade in diesen uralten und immer noch lebendigen Kulturen, Religionen und spirituellen Traditionen auch für Yoga-Interessierte sehr viel Aufschlussreiches finden. Stattdessen ist häufig ausschließlich von der Mainstream-Religion (brahmanisch-sanskritische Tradition) die Rede. Das gibt uns einen ziemlich einseitigen, wenn nicht gar verzerrten Blick auf die Dinge. Mal ganz abgesehen davon - TEXTE sind nicht alles. Und das sage ich ganz bewusst als Indologe, also einer, der die ersten Jahre seines Studiums überwiegend mit dem Studium alter Werke zugebracht hat. Um so etwas Komplexes wie die indische Kultur/Religion auch nur einigermaßen erfassen zu können, müssen wir vor Ort gewesen sein, müssen wir diese Kultur nicht nur gedacht, sondern auch gefühlt, geschmeckt, gerochen - und vielleicht sogar mit den Menschen dort gelebt haben. DIE LANDKARTE IST NICHT DAS LAND.

Ich persönlich konnte vieles – auch und gerade über den Yoga - erst dann verstehen, als ich längere Zeit AM ORT DES YOGA gewesen war. Mit der schwierigste Moment meines Studiums war, als ich in Indien studierend feststellen musste, dass diese Kultur doch so gar nicht meinen Ideen, Idealen und Phantasien von ihr entsprach. Als Studenten bekamen wir allein schon dadurch ordentlich den Kopf gewaschen, dass wir unserem Indologie-Professor in Maharashtra (West-Indien) in die Berge zu reichlich abgelegenen und dennoch riesigen Tempelanlagen folgen mussten, um dort bei einigen Menschen die urwüchsigsten Phänomene der Spiritualität zu erleben, so wie sie in unseren Kulturen vielleicht vor Tausenden von Jahren existiert haben mögen. Diese eigentlich allseits präsenten Ausprägungen des sogenannten "Hinduismus" kennen sogar die wenigsten indischen Indologen und Religionswissenschaftler. Es war der Moment, als - nicht nur bei mir, sondern bei vielen Studenten - alles zusammen brach, und ich mich damit konfrontiert sah, alles neu zu ordnen. Das wahre Indien und der echte Yoga hatten nun eine Chance, verstanden zu werden.

Nun erst wurde mir so langsam klar, wovon die Yoga-Meister und mystischen Philosophen in ihren Werken redeten. All die sprachlich-doppeldeutigen Bilder, die Metaphern und bildhaften Vergleiche, die die Dichter-Heiligen und Yoga-Mystiker wie KABIR, MIRABAI, LALLA-DED, BASAVANNA, JNANESHWAR, RAVIDAS, SURDAS und wie sie alle heißen, in ihren Yoga-Gesängen vielfach auf geheimnisvolle Weise anwendeten, um etwas höchst Subtiles zu beschreiben, begann ich so langsam zu begreifen …. und zu erfahren. Und zu diesem Prozess gehörte eindeutig die Auseinandersetzung mit DIESEN ALTEN UND URSPRÜNGLICHEN KULTUREN und RELIGIONEN INDIENS.  



ALSO – lasst Euch einfach mal inspirieren, auch wenn es sich auf den ersten Blick „fremd“ anfühlt ….

https://www.facebook.com/TheTansaValley?fref=ts

http://www.thebetterindia.com/6383/tbi-art-culture-the-warlis-the-painting-is-on-the-wall/

http://www.youtube.com/watch?v=AeOo6ys52_k
Der in diesem Filmbeitrag zu sehende Vitthala/Vithoba oder Panduranga ist eine in West-Inden höchst populäre Gottheit, die mit der Varkari-Tradition in unmittelbarem Zusammenhang steht – zu dieser Tradition gehören viele Millionen Menschen aus sowohl unteren als auch höheren sozialen Schichten, die gemeinsam die SATSANG-Heiligen verehren, zu denen auch solch bekannte Yoga-Meister wie JNANESHWAR (13. Jh.) gehören. In dieser immer noch wachsenden spirituellen Tradition kommen Strömungen und Elemente der Bhakti und des Tantra harmonisch zusammen.

Und es gibt es gibt in dieser Richtung noch vieles mehr -- gerade für Yoga-Praktizierende ....

 

(Das Bild zu diesem Beitrag zeigt den auf einem hohen Berg befindlichen Tempel der Gottheit KHANDOBA in dem Ort JEJURI während der Feiern zu SOMVATI AMAVASYA (Neumond-Montag). Tausende steigen die kilometerlange, nicht enden wollende, Steintreppe zum Tempel hoch zu Gott Khandoba, mit einem gehörigen Vorrat an Gelbwurz-Pulver, das dort oben dann - wie Konfetti bei uns an Karneval - in die Luft geworfen wird und geradezu jeden Winkel des riesigen Tempels durchdringt. Dieser Khandoba-Tradition wird eine starke Verbindung zu Tantra, Alchemie und Schwarzer Magie nachgesagt .... was dort auch durchaus unmittelbar erfahrbar ist ...)